Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesaengen
Regie: Peter Schulze-Rohr. Buch: Peter Weiss.
Mit: Horst Beck, Pinkas Braun, Ida Ehre, Heinz Giese,Viktor S. Goertz,
Hellmut Lange, Hanne Hiob, Josef Schaper.
D 1966, 155 Min., dt. V., Video.
Vor 40 Jahren - zwischen Dezember 1963 und August 1965 - fand in
Frankfurt am Main der Auschwitz-Prozess statt, in dem die fuer das
Funktionieren der Vernichtungsmaschinerie Verantwortlichen vor Gericht
standen. Am 19. Oktober 1965 fand an 15 Orten in Ost- und
Westdeutschland die Urauffuehrung des dokumentarischen Theaterstueckes
von Peter Weiss statt, welches die Fakten ueber Auschwitz darstellt,
die im Prozess von ueber 300 Zeugen zur Sprache gebracht wurden.
Elf Gesaenge beschwoeren den Ablauf der Menschenvernichtung in
Auschwitz herauf, vom ersten, dem <Gesang von der Rampe> mit
der
<Selektion>, der Auswahl der Haeftlinge fuer die Ermordung,
bis zum
letzten, dem <Gesang von den Feueroefen>, der Massenverbrennung
der Leichen in den Krematorien, in denen im Sommer 1944 bis zu 20.000
durch Gas vergiftete Haeftlinge taeglich vernichtet wurden. 1.350.000
Juedinnen und Juden aus ganz Europa, sowie Zehntausende Zigeuner
und sowjetische Kriegsgefangene wurden in Auschwitz umgebracht.
Der Text beruht auf den Prozessakten, den persoenlichen Prozessbesuchen
des Autors und den Prozessberichten, die Bernd Naumann fuer die
<Frankfurter Allgemeine Zeitung> geschrieben hat.
Es werden Taeter und Opfer miteinander konfrontiert, und auf diese
Weise wird, gerade durch den Verzicht der Rekonstruktion individueller
Erlebnisse und die Betonung der funktionalen Aspekte, das Grauen
dieser
Toetungsfabrik deutlich. Zugleich wird die Moeglichkeit gezeigt,
dass
sich Aehnliches wiederholen koennte, und die Notwendigkeit, dies
zu
verhindern. Eine Woche nach den ersten Theaterauffuehrungen brachten
alle deutschen Radio-Sender eine Hoerfunkfassung des Stuecks, im
Maerz
1966 sendete die ARD die Fernsehversion in der Regie von Peter
Schulze-Rohr. Das Stueck und der Film stehen exemplarisch für
die
zweite Phase der Beschaeftigung mit der Shoa seit 1945 in Deutschland,
die der Frankfurter Auschwitz-Prozess ausloeste.
<Es gab kein Entrinnen, es gab nur die Feigheit des Abschaltens
oder die Bequemlichkeit des Umschaltens. Und, dasz es kein Entrinnen
gab, dieser Zwang des Mit-Denkens, nicht des Mit-Fuehlens, spricht
fuer die Intensitaet der Auffuehrung, fuer ihre Qualitaet. Ueber
das Niveau des Ensembles braucht man kein Wort zu verlieren, das
Fernsehen kann sich die besten Darsteller leisten.> (Frankfurter
Allgemeine Zeitung, 1966)
Gespraech mit Hanne Hiob, Schauspielerin in <Die
Ermittlung>.
Hanne Hiob wurde 1923 in Muenchen als Tochter von Marianne Zoff
und Bert Brecht geboren. Film- und Theaterarbeit in Berlin, Hamburg,
Zuerich und Muenchen.
1959 war sie in der Urauffuehrung von Brechts <Die heilige Johanna
der Schlachthoefe> durch Gustaf Gruendgens in
Hamburg die Johanna. Am Berliner Ensemble spielte sie diese Rolle
1968. Politische Aktionen und Straszentheater, u. a. Anfang der
80-er Jahre <Idylle einer deutschen Kleinstadt> gegen Josef
Mengele, nach der deutschen Wiedervereinigung <Buero Mahagonny
/ Anachronistischer Zug>.
Hanne Hiob, Gerd Koller (Hg.): Wir verreisen...
In die Vernichtung.
Briefe 1937-1944. Berlin: Aufbau Taschenbuch Vlg. 1998, ISBN 3746613957.
Links:
Robert Cohen: The Political Aesthetics of Holocaust Literature:
Peter Weiss's <The Investigation> and Its Critics (> History
and Memory, Volume 10, No. 2, Fall 1998, Univ. of Indiana Press)
http://iupjournals.org/history/ham10-2.html
Dokumente zum Auschwitz-Prozess (Fritz Bauer Institut, Frankfurt
a. M.) http://www.fritz-bauer-institut.de/projekte/auschwitz-prozess.htm
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