Während der ersten Monate der Okkupation Deutschlands und
Österreichs stand die Besatzungspolitik im Zeichen des Potsdamer
Abkommens und der Nürnberger Prozesse: Entnazifizierung, Entmilitarisierung
und Entindustrialisierung. Die sich daraus ergebende Aufgabe der
"Re-education" bzw. "Re-orientation" war deshalb
untrennbar mit der Kollektivschuldthese verbunden. Umerziehung hieß
zuallererst, die deutsche Bevölkerung von ihrer Schuld am Aufstieg
des Nationalsozialismus und am Holocaust zu überzeugen. Das
Programm
versammelt englische, französische, sowjetische und US-amerikanische
Beispiele für die filmische Darstellung der Nazi-Verbrechen,
außerdem zwei kurze Filmstücke über die Befreiung
der Lager Mauthausen und Ebensee. Schon 1947 wurden in den Westzonen
die beim Publikum unbeliebten Filme über die KZs zurückgezogen,
so dass nur noch Filme blieben, die den künftigen Bündnispartner
mit den Regeln der Demokratie vertraut machen sollten oder die den
American Way of Life als Modell priesen. Das Programm schließt
mit einem Film, der diese Phase nach der
Re-Education dokumentiert, als die Bilder von den KZs bereits weitgehend
aus der Öffentlichkeit verdrängt worden sind.
Der Hamburger Filmwissenschaftler Thomas Tode kommentiert die selten
zu sehenden Filme. (Gesamtfilmlänge: 102 Min., mit Pause)
Concentration Camp Ebensee Austria (08-May-1945)
A/USA 1945, US Army Signal Corps, 5 Min., stumm,
Video
Zwei stumme Filmstücke: Malerische Aufnahmen von Bergen und
Seen im Salzkammergut, Aufnahmen von Leichen in einem Krematorium
und von geschwächten Überlebenden, die von anderen Überlebenden
gestützt werden.
Die Todesmühlen
D/USA 1945, Prod.: Information Control Division
(ICD) für das Office of Military Government for Germany United
States (OMGUS), Regie: HanuÅ¡ Burger, Schnitt-Überwachung:
Billy Wilder. 22 Min., dt. OF, Video
"Die Todesmühlen" von HanuÅ¡ Burger unter
der Oberaufsicht von Billy Wilder erstellt, zeigt die Weimarer Bevölkerung,
die im Sommer 1945 auf Anweisung der Amerikaner das nahegelegene
KZ Buchenwald besichtigen
müssen und überblendet dann zu Bildern jener Menschen,
die nur ein paar Jahre zuvor begeisterte Nazis waren, den Arm zum
Hitlergruß erhoben, auf dem Parteitag, in den Straßen.
Burger dazu: "Diese Menschen wollte ich
mit Hilfe dokumentarischer Bilder durch all die Jahre begleiten.
Wie sie ein wenig später ohne Protest die Arbeitsplätze
der Opfer einnahmen, ihre Läden, Wohnungen und Firmen. Wie
sie das Beutegut aus den
überfallenen Gebieten empfingen, wie sie einmarschierten, bewachten,
abtransportierten, hinrichteten. Wie sie dann in den Kellern saßen
oder in den Gräben von Stalingrad, und wie sie dann sagten,
sie hätten von
nichts gewußt."
Les Camps le la Mort (Lager des Todes)
F 1945, Prod.: Les Actualités Françaises.
18 Min, frz. OF mit eingesprochener dt. Übersetzung, Video
"Les Camps de la Mort" ist der durch die Wochenschau "Les
Actualités Françaises" aufgenommene
französische KZ-Film, der als einziger der sogenannten "Atrocity-Filme"
noch bis in die 50er Jahre in Deutschland
verfügbar blieb.
Oswiecim (Auschwitz)
UdSSR 1945, Prod.: Soviet Army Film Unit / Zentrales
Studio für Dokumentarfilme Moskau, Kamera: A. Woronzow, M.
Oschkurow, u. a. Schnitt: Elisaveta Svilova. 21 Min., dt. Fassung,
Video
"Der Film zeigt Szenen aus Auschwitz nach der Befreiung durch
die Rote Armee und ist zusammengestellt aus Material, das ein Filmteam
der Ersten Ukrainischen Front gedreht hat. Schauplätze sind
das Stammlager
Auschwitz (Auschwitz I), das Lager Birkenau (Auschwitz II) und das
Industriegelände von Buna-Monowitz (I.G. Farbenindustrie A.G.).
Überlebende werden gezeigt, sowie die Behandlung durch sowjetische
Ärzte. Verwendet werden Filmaufnahmen, die zwischen Februar
und Mai 1945 in Auschwitz und Auschwitz-Birkenau gedreht wurden,
darunter auch Aufnahmen vom Mai 1945 aus einer nachgestellten Befreiung
des Vernichtungslagers." (Cinematographie des Holocaust)
A Defeated People (Ein besiegtes Volk)
GB 1945/46, Regie: Humphrey Jennings, 19 Min,
engl. OF, Video
In Humphrey Jennings "A Defeated People" geht um die Bewährung
von Menschen in Krisensituationen. Diesmal sind es die Deutschen,
die nach der Kapitulation in einem verwüsteten Land wieder
zum Alltag zurückkehren und mit Vitalität auch in Ruinen
sich einrichten. Es ist kein Erfolgsbericht der britischen Besatzungsbehörden,
sondern eine der differenziertesten Darstellungen der Re-education-Politik
überhaupt. Sein Referenzsystem lautet: "Ja, aber...".
Ja die Kohle wird wieder gefördert, aber für die Menschen
ist keine übrig. Ja, die Verkehrswege sind z. T. mit improvisierten
Pontonbrücken wieder in Betrieb genommen, aber die Bevölkerung
muss vor der britischen Armee zurückstehen. Ja, die Züge
fahren wieder, aber sie haben kaum die notwendigen Transportkapazitäten.
Der Zusammenbruch der gesamten Infrastrukturen wird nicht geschönt.
Frischer Wind in allen Gassen
D 1951, Prod.: Fritz Peter Buch, 17 Min., dt.
OF, Video
Die Darsteller sind Schüler und Einwohner der Stadt Eberbach
am Neckar. In dieser Stadt wird an drei Tagen im Jahr die Stadtverwaltung
von der Jugend übernommen, damit die jungen Menschen schon
frühzeitig einmal einen Einblick in die Grundprobleme der örtlichen
Verwaltung bekommen. Der Film schildert die Erlebnisse einzelner
Jungen und Mädchen während ihrer Amtszeit.
Einleitung und Gespräch mit Thomas Tode, Filmemacher und Filmwissenschafter,
Hamburg. Publikationen u.a.: "Chris Marker, Filmessayist."
(Mithg.), "Dziga Vertov: Arbeitshefte/Tagebücher"
(Hg.).
Eine Veranstaltung der Aktionsplattform Gegen-Jubiläum
2005:
http://www.oesterreich-2005.at
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