Anlass dieses thematischen Schwerpunkts ist der 10. Jahrestag
des Attentats von Oberwart. Bei dem Bombenanschlag am 4. Februar
1995 starben Josef Simon, Erwin Horvath, Karl Horvath und Peter
Sarközi aus der Oberwarter Roma-Siedlung. Neben vier Filmabenden
finden dazu im Aktionsradius Augarten auch Konzerte und eine aufregende
Premiere des Wiener Lesetheaters statt, deren Stoff u. a. das Protokoll
einer Bürgermeisterkonferenz zur Lösung der "Zigeunerplage“
ist, die 1934 - vier Jahre „vor Hitler“ - stattfand.
Die beiden Filmemacher Peter Wagner und Zelimir Zilnik werden bei
der Vorführung ihrer Filme anwesend sein.
Dienstag 1.2. Stefan Horvath, Zigeuner aus Oberwart
Regie: Peter Wagner, A 2004, Video
Stefan Horvath, der im aktuellsten Film Peter Wagners porträtiert
wird, lebt in der Roma-Siedlung in Oberwart. 1995 verlor er bei
der Detonation der Oberwarter Rohrbombe unweit der Siedlung einen
Sohn. Danach litt er an Schlafstörungen zu jener Nachtzeit,
als die Detonation passierte, bis er eines Tages ein probates Mittel
zur Überbrückung dieser Zeit fand: er begann zu schreiben.
Was er zunächst aufzeichnete, waren in der Ich-Form gehaltene
Erzählungen seiner Elterngeneration, die den systematischen
Mord an den Roma thematisieren. Gerade das, sagt er, sei das Problem
der Roma: sie hätten sich niemals mit ihrer Deportation und
Vernichtung während
der NS-Zeit auseinander gesetzt. Stefan Horvath will mit seinen
Erzählungen den Roma seiner Heimat eine Erinnerung nachliefern,
von der er glaubt, dass sie vielfach befreiende, wenn auch teilweise
schmerzhafte Wirkung haben könnte.
Horvath, Stefan: Ich war nicht in Auschwitz.
Erzählungen.
Hrsg.: Horvath, Horst; Wagner, Peter; Übers. ins Roman: Gärtner-Horvath,
Emmerich. Edition lex liszt 2003, ISBN 3-901757-35-10
Mittwoch 2.2. Eine lästige Gesellschaft
Regie: Claudia Fischer und Marika Schmiedt, Video
Eine niederösterreichische Zigeunerin steht im Mittelpunkt
dieses Films. Er zeigt Marika Schmiedts mühsame Spurensuche
nach den Mitgliedern ihrer Familie. Im Zuge dieser Nachforschungen
entrollte sich vor den Augen der Wiener Filmemacherin und Malerin
das Schicksal ihrer Großmutter. Unzählige Archive und
Gedenkstätten haben
Fischer und Schmiedt für ihre Recherchen aufgesucht. Mit kaum
mehr als einem ausgebleichten Bild begannen die beiden ihre Recherche,
in deren Verlauf deutlich wurde, wie mühevoll es ist, ohne
dokumentierte Vergangenheit zu einer gegenwärtigen Identität
zu finden: Spätfolge des Holocaust, mit dem die Roma auf diese
Weise noch heute zu kämpfen haben.
Donnerstag 3.2. Die Roma-Schauer
Regie: Peter Wagner, A 2004, Video
„Die Roma-Schauer“ dokumentiert die zunächst harmlose
Reise einer etwa 20-köpfigen österreichischen Gruppe zu
einem als folkloristisch angekündigten Roma-Festival in der
zentralbulgarischen Stadt Sliven. Am 6. Mai begeht Bulgarien seinen
höchsten kirchlichen Feiertag, den Namenstag des Hl. Georg,
traditionell auch für die Roma der wichtigste Festtag des Jahres.
Die am „Multikulturellen“ interessierten ÖsterreicherInnen
kamen mit der Erwartung, ein buntes Roma-Festival mit viel Musik,
Tanz, Essen und ausgelassener Stimmung zu genießen und einem
aufgeklärten „Roma Schauen“ zu frönen. Es
kommt anders: Das angekündigte Festival ist kein Festival,
sondern eine vornehmlich für die Gäste ausgerichtete Darbietung,
die die vermeintlichen Roma-Schauer selbst zu den Beschauten, zu
den eigentlichen Exoten im Roma-Ghetto der Stadt Siven macht. Der
Großteil der Reisegruppe kommt mit der ihnen dargebotenen
Realität nicht zurande und kann die Scham angesichts des eigenen
Voyeurismus kaum unterdrücken kann. Peter Wagner war die gesamte
Reise über mit seiner Kamera dabei.
Anschließend Gespräch mit Peter Wagner.
Freitag 4.2. Kenedi se vraca kuci / Kenedi Goes
Back Home
Serbien-Montenegro 2003, 74 Min., Originalfassung
mit englischen Untertiteln, DVD
Regie: Zelimir Zilnik, Drehbuch: Zelimir Zilnik, Kamera: Miodrag
Milosevic, Schnitt: Marko Cvejic. Mit Kenedi Hasani, Denis Ajeti,
Dzemsit Buzoli, Sabaheta Alijevic, Mevlan Alijevic
"Kenedi se vraca kuci" heißt Zelimir Zilniks jüngster
Film. Wie frühere Arbeiten handelt es sich dabei nicht um einen
Dokumentarfilm im klassischen Sinn, sondern mehr um eine dokumentarische
Intervention: Kenedi, ein junger Mann aus dem Kosovo, selbst von
der Abschiebung aus Deutschland betroffen, fungiert dabei als eine
Art Mittelsmann zwischen Filmteam und anderen unfreiwillig Heimgekehrten,
die im Gespräch mit ihm von ihren Erfahrungen berichten.Mitten
in der Nacht habe man sie geweckt, erzählt etwa ein aufgebrachter
Familienvater während einer langen Autofahrt, um sie Stunden
später in ein Flugzeug nach Belgrad zu setzen. Seit 1991 habe
er mit seiner Frau und zwei Kindern in Deutschland gelebt und gearbeitet.
"Meine Kinder sind hier Analphabeten." - das kyrillische
Alphabet oder die serbische Sprache sind ihnen fremd, ihr Deutsch
ist dagegen ausgezeichnet.
Ähnliches hat auch Johnny zu berichten - ein Jugendlicher,
den Kenedi ebenfalls am Belgrader Flughafen aufgabelt und der auf
der Suche nach seinen Angehörigen ist. Gegen Ende des Films
führt er im Belgrader Goethe-Institut ein langes Gespräch
mit einem bayrischen Grenzpolizisten. "Würde ich zurückgehen
können?", fragt er
schließlich. "Ich glaube nicht.", sagt der Mann.
Aus solchen Situationen, in denen sich die Auswirkungen politischer
Verfügungen und bürokratischer Vorgänge individuell
konkretisieren, formt "Kenedi se vraca kuci" ein raues
Bild
weitgehend ausgeklammerter, europäischer Realität. (Isabella
Reicher)
Anschließend Gespräch mit Zelimir Zilnik.
Weitere Veranstaltungen im Aktionsradius Augarten (jeweils 19:30):
Dienstag 8.2.: "Die Zigeunerplage“,
Lesetheater mit Christoph Krutzler und Peter
Wagner. Nachspiel: „Der lasterhafte Herr Krutzler spricht
über sein Kemeten“ (Video, Uraufführung).
Dienstag 15.2.: Ein Abend für www.gipsy-info.at;
Vorfilm:
„gipsy-info on tour“ von Friedemann
Derschmidt.
Dienstag 22.2.: Kohelet 3 – Erstmals mit Roma-Programm
Mittwoch 23.2.: Mosa Sisic & The Gipsy Express.
Beginn 19.30 Uhr;
Eintritt: 10 Euro, Ort: Carioca, 1200 Wien,
Wasnergasse 17
Info: http://www.aktionsradius-augarten.at
|