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Einladung #126

#126 kinokis mikrokino praesentiert in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria:
<Das Herz der Welt schlug in Wien> Zwei Filme der Linken im Kalten Krieg.

Dienstag 10.5.2005, 21:00, Metro Kino/Filmarchiv Austria
(1. Johannesgasse 4, Tel. 01/512 18 03), Eintritt frei!

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Zwei Dokumentarfilme aus dem Jahr 1954, beide sind auf unterschiedliche Weise mit österreichischen Schauplätzen verbunden:
Mitten im Kalten Krieg zeichnete Joris Ivens monumentaler Film <Lied der Stroeme> das Panorama einer globalen Arbeiterbewegung. Die Geschichte dieses Filmes beginnt in Wien, wo 1953 ein Kongress des
Weltgewerkschaftsbundes stattfand. Als der fertige Film ein Jahr später in einer von Anti-Kommunismus geprägten Atmosphäre in Wien gezeigt wurde, produzierte der Österreichische Friedensrat gerade einen kurzen Film gegen Militarismus und Kriegsverherrlichung.
<Schatten über unserer Heimat>, der seit den 50er-Jahren nie mehr aufgeführt wurde, fasziniert heute durch Aufnahmen, die das Klischee der statischen 50er-Jahre konterkarieren: Statt österreichischer Walzerseligkeit zeigt er Aufmärsche des Kameradschaftsbundes und Kundgebungen gegen diese Soldatentreffen. Beide Filme überraschen
heute durch ihre alternative Sicht auf die unmittelbare Nachkriegszeit, deren Deutung im <Gedankenjahr 2005> zur Debatte steht.

Sie zeigen die Epoche des Kalten Krieges als eine Zeit heißer Auseinandersetzungen, international und in Österreich. Das Klima in Österreich war von Kalten Kriegern und einem rigiden Antikommunismus geprägt. In der Phase vor Abschluss des Staatsvertrags richtete sich die Politik der Bundesregierung und der West-Alliierten gegen einen befürchteten Anschluss an den Sowjet-Block, während die Linke gegen Anschluss-Bestrebungen an West-Deutschland agitierte. Die beiden Filme widerspiegeln die Tatsache, dass Wien zwischen 1950 und 1955
zum Treffpunkt einer internationalen Friedens- und Gewerkschaftsbewegung geworden war. Unter der Schirmherrschaft der sowjetischen Besatzungsmacht entfalteten der sich als überparteilich verstehende Weltfriedensrat und der kommunistisch dominierte Weltgewerkschaftsbund eine rege Tätigkeit. Anlässlich eines solchen Kongresses titelte die Österreichische Friedenszeitung: <Das Herz der Welt schlug in Wien>. Auch Jean-Paul Sartre war 1952 beeindruckt: <Was ich in Wien gesehen habe, ist der Friede>. Die Bundesregierung
boykottierte diese Aktivitäten systematisch, die westlich orientierten Medien befolgten eine <Schweigefrist> während dieser Kongresse. SPÖ-Innenminister Oskar Helmer fürchtete eine <kommunistische Infiltration der Intellektuellen>, die tendenziell <zuerst umfielen> und für <politische Sachen am empfänglichsten waren.> (Karin Moser: 2001)

Die Remilitarisierung Österreichs im Rahmen des Kalten Krieges verhinderte einen tatsächlichen Bruch mit den Einstellungsmustern und Verhaltensdispositiven aus der NS-Zeit. Im Dezember 1954 – fast im
selben Moment, als die beiden Filme in Wien zu sehen waren – erklärte der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Alfons Gorbach im Parlament: <Man muß den Sinn der Opfer anerkennen, die die deutschen und österreichischen
Soldaten im Zweiten Weltkrieg gebracht haben. Von der Stunde an, da Rußland in den Krieg eintrat, war es für jedermann klar, daß die Niederlage Deutschlands in diesem Krieg die völlige Bolschewisierung Deutschlands und Österreichs zur Folge haben könnte, und deshalb haben die Frontsoldaten im Osten den Kampf um die Würde und Freiheit des Menschen geführt. Hier kommt uns nur eines zu, in Ehrfurcht unser Haupt zu neigen.> (Die Österreichische Volksstimme, 4.12.1954) Wenige Tage darauf wurde Gorbach das goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich verliehen.

Schatten über unserer Heimat
Regie: Frank W. Rossak. Produktion: Österreichischer Friedensrat.
A 1954/55, 19 Minuten, 16 mm, s/w.

Der Film beginnt m itidyllischenBildernausÖsterreich.DieWundendesKrieges scheinen wieder geschlossen. Doch wer wachsam ist, weiß, daß er zwar heute wieder ruhig schlafen kann, ohne von Sirenen geweckt zu
werden. Aber wie lange noch? Vor unseren Augen wird offensichtlich ein neuer Krieg vorbereitet – auch hier in Österreich. Der Film zeigt das auf vielerlei Arten: Kriegsliteratur in unseren Buchläden, militärische Bauten auf österreichischem Boden, vor allem aber das Wiederaufleben militaristischen Treibens. Überall werden
Kriegerdenkmalfeiern und Kameradschaftstreffen abgehalten, bei denen, wie der Film zeigt, nicht nur Österreicher mit ihren Auszeichnungen aus dem Hitler-Krieg geschmückt aufmarschieren, sondern an denen auch
wiederholt unerwünschte Gäste aus Westdeutschland teilnehmen, nicht selten Kriegsverbrecher, die noch gar nicht lange wieder auf freiem Fuß sind.> So beschrieb im März 1955 die Österreichische Friedenszeitung, das Organ des österreichischen Friedensrates, den Film. <Sehr geschickt blendet der Film immer wieder Szenen aus den
30er Jahren abwechselnd mit solchen aus der Gegenwart ein, sodaß die Ähnlichkeit der vorbereitenden Situationen der beiden Zeitperioden erschreckend deutlich wird.> Die Stimme des Off-Kommentars wendet sich von Beginn an direkt ans Publikum: <Geht es nicht auch Dich an?
– Es ist dein Land!> Seine anti-militaristische Rhetorik ist
wesentlich gefärbt von einem starken Österreich-Patriotismus. Die <Schatten>, die <über unserer Heimat> liegen, rühren aus der Vergangenheit, die von deutschen Wehrmachtsgenerälen wie dem Bundestagsabgeordneten Hasso von Manteuffel oder Albert Kesselring, dem Führer des westdeutschen Soldatenbundes <Stahlhelm>, wieder zum
Leben erweckt werden sollte. Der Film stellt die Aktivitäten der überparteilichen Friedensbewegung, sie ist <das Gewissen Österreichs>, dagegen: Katholikinnen und Katholiken, Sozialistinnen und Sozialisten, Kommunistinnen und Kommunisten, Parteilose, ehemalige <KZler>. Polizisten nehmen Demonstranten ihre Soldatengrabkreuze aus Pappe ab. Anlässlich einer Kundgebung von <Salzburger Frauen gegen Anschlusspropaganda und Soldatentreffen> am 29. Mai 1954 spricht bei strömendem Regen die Halleiner Widerstandskämpferin Agnes Primocic, die heuer übrigens ihren 100. Geburtstag feierte, leider übertönt vom Off-Kommentar.

Einleitendes Gespräch mit Peter Schauer, geb. 1930, Präsident des Österreichischen Verbandes der Filmarchivare, ehemaliger Lehrbeauftragter für Filmgeschichte an der Filmakademie Wien. Peter Schauer war letzter Produktionsleiter der Pax-Film, der Produktionsfirma des 1957 verstorbenen Frank W. Rossak. Er hat an der
Wiederentdeckung von SCHATTEN ÜBER UNSERER HEIMAT maßgeblichen Anteil und wird über die Filmarbeit des Friedensrates sowie den Produktionskontext des Filmes berichten.


Lied der Ströme

Regie: Joris Ivens (Mitarbeit: Joop Huiskens, Robert Menegoz). Buch: Vladimir Pozner, Joris Ivens. Kamera: Erich Nitzschmann sowie anonyme Kameraleute aus mehr als 30 Ländern. Kommentar: Vladimir Pozner.
Musik: Dmitri Schostakowitsch. Musiktext: Bert Brecht, Semion Kirsanov. Gesang: Paul Robeson. Produktion: DEFA – Studio für Dokumentarfilme, World Federation of Trade Unions (W.F.T.U.).
DDR 1954, 107 Minuten, 35 mm, s/w, deutsche Fassung.

<Lied der Ströme> ist ein wahrhaft epischer Film über die sechs großen Ströme der Erde und ihre Anwohnerinnen und Anwohner: Nil, Ganges, Mississippi, Amazonas, Wolga und Yang-Tse. Dazu die Mitarbeit der Schriftsteller Bert Brecht und Wladimir Pozner, der Sänger Paul Robeson und Ernst Busch, des Komponisten Dmitri Schostakowitsch und von Kameramännern aus über 30 Ländern. Ivens besingt in einem visuellen Gedicht die Handarbeit, schildert die Lebensumstände der an den Flüssen lebenden Arbeiter und Bauern verschiedener Kulturen, die unter der Last des Kapitalismus leiden, die aber gemeinsam einen siebten Strom bilden: den Strom der Arbeiterbewegung, der an Wolga und Yang-Tse bereits Früchte trage. <Lied der Ströme> stellte der Metaphorik einer in unversöhnliche Blöcke gespaltenen Welt das affektive Bild einer alle Grenzen überwindenden, zusammenfließenden
Menschheit entgegen. Narrativer Ausgangspunkt war ein Kongress des Weltgewerkschaftsbundes im Wiener Konzerthaus im Jahr 1953. Eine megalomane DEFA-Produktion, von der 18 Sprachversionen entstanden und
der angeblich von 250 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern gesehen wurde. Legendär sind die Schwierigkeiten, mit denen Kameraleute aus Diktaturen beim Filmen konfrontiert waren, manche Filmrolle fand
unter abenteuerlichen Umständen ihren Weg auf Ivens’ Schneidetisch. In den USA war der Film jahrzehntelang als »kommunistische Propaganda« verboten, in England und Frankreich wurde nur eine zensierte Fassung gezeigt.

Einleitendes Gespräch mit Thomas Tode, geb. 1962, Filmemacher und freier Publizist, Hamburg. Herausgeber von: Johan van der Keuken: Abenteuer eines Auges (1987); Chris Marker - Filmessayist (1997); Dziga Vertov - Tagebücher / Arbeitshefte (2000). Im Gespräch mit Thomas Tode wird es darum gehen, <Lied der Ströme> einerseits
zeitgeschichtlich und dokumentarfilmhistorisch zu kontextualisieren und andererseits die Bedeutung des Films im Werk Joris Ivens' herauszustellen.


Links:

Filmarchiv Austria
http://www.filmarchiv.at

European foundation Joris Ivens
http://www.ivens.nl

PDF: Utopian Visions in Cold War Documentary: Joris Ivens, Paul Robeson and Song of the Rivers (1954) by Charles Musser http://www.erudit.org/revue/cine/2002/v12/n3/000738ar.pdf

 


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