Nach seiner Begegnung mit einem als autistisch eingestuften 12-Jährigen gründete der Erzieher und Anti-Psychiater Fernand Deligny 1965 in den französischen Cevennen eine offene Anlaufstelle für Kinder, die von SpezialistInnen als unerziehbar und unheilbar eingestuft wurden. Ohne Institution und PflegerInnen bildete sich diese "Gegeninstitution" um "nahe Präsenzen" herum. Sie wurde zu einem "Floß in den Bergen" - einem Ort der Existenz, an dem Kinder "ihre" eigene Geschichte beginnen konnten. Deligny erfand dazu ein räumliches Dispositiv, Bräuche und Kartographie, sowie eine Sprache im Infinitiv: "Und wenn es - statt ihnen das Sprechen beizubringen - vielmehr darum ginge, dass wir das Schweigen lernen? (...) Wenn man sich auf die Seite der Delinquenten, der Verrückten, der GymnasiastInnen schlägt, sehen das Recht, die Schule, das Asyl sonderbar aus; und wenn man sich auf die Seite der Stummen stellt, dann erscheint auch die Sprache seltsam". Der Dokumentarfilm "Ce gamin, là" ist dem "Experiment Deligny" gewidmet, das weit über den Bereich der Therapie hinaus für antiautoritäre Gruppen, KünstlerInnen und Intellektuelle - etwa Félix Guattari - inspirierend wirkte.
Ce gamin, là [Dieser Junge, da]
Renaud Victor, F 1975, 96 min., frz. OV / dt. Übers. eingesprochen
Präsentation: Birgit Mennel, Peter Grabher
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